„Immer kommst du zu spät!“ – wumms, das hat gesessen. Frontalangriff. Und der provoziert einen Gegenschlag. Und schon befinden sich zwei in einem Konflikt. Dabei geht es auch anders. Statt unserem Gegenüber direkte Vorwürfe zu machen (zum Beispiel „Nie räumst du dein Geschirr weg!“ oder „Du drückst dich immer vor dem Protokollieren!“), sollten wir besser von unseren Wahrnehmungen und Gefühlen sprechen und zwar in Form von Ich-Botschaften.
Von Du- zu Ich-Botschaften
Ich-Botschaften sind Aussagen, die in der Ich-Form formuliert sind, z. B. „Ich haben den Eindruck, dass ich in der Diskussion kaum zu Wort komme.“ Der vorwurfsvolle Gegenpart sind Du-Formulierungen, wie zum Beispiel „Nie lässt du mich zu Wort kommen“.
Wechsle die Perspektive
Warum aber sind Ich-Botschaften so kraftvoll? Sie lenken den Fokus auf dich selbst, deine Wahrnehmung und wie es dir in diesem Moment geht. Dafür musst du dich zunächst einmal fragen: Was stört dich wirklich? Und was löst das Verhalten des anderen in dir aus? So kann aus einem „Du bist sehr rücksichtslos!“ ein „Ich bin gerade enttäuscht.“ werden. Das eine ist nicht nur eine sehr subjektive Interpretation, sondern auch eine möglicherweise unwahre Behauptung, die in der Regel eine Verteidigung provoziert. Das andere ist eine Gefühlsbeschreibung ohne Schuldzuweisung. Es geht also um den Perspektivwechsel.
Beschreibe wertfrei
Der Erfinder des Ganzen (sofern man das bei einer Formulierungsvariante überhaupt sagen kann) ist der Psychologe Thomas Gordon. Seiner Meinung nach besteht die ideale Ich-Botschaft aus drei Komponenten. Sie beinhaltet eine wertfreie Beschreibung von
1) dem Verhalten
2) der Wirkung bzw. dem Effekt des Verhaltens und
3) dem daraus resultierenden Gefühl.
Beispiel:
(1) Wenn du dein dreckiges Geschirr in der Küche stehen lässt,
(2) räume ich es immer weg und
(3) das frustriert mich.
Gordon ist der Überzeugung, dass sich dank solcher wohl gewählter Formulierungen ein positives zwischenmenschliches Verhältnis entwickelt. Denn beide Parteien seien so zufriedener und sind daran interessiert, dem anderen keine Probleme zu bereiten.
Übernimm die Verantwortung
Ein und dasselbe Ereignis kann von Person zu Person anders wahrgenommen werden. Dem einen fällt die chaotische Kaffeeküche gar nicht auf und den anderen versetzt sie in phobische Schnappatmung. Dein Gefühl zu benennen ist also wesentlich präziser. Das verschafft deinem Gegenüber Klarheit – und auch dir selbst!
Dafür ist es wichtig, die eigene Verantwortung anzuerkennen. Wenn du im oberen Beispiel immer das Geschirr wegräumst, ist das deine Entscheidung gewesen und somit auch ganz allein deine Verantwortung. Der Chaos-tolerante Kollege hat dich dazu nicht gezwungen. Ich möchte das noch einmal ganz explizit betonen:
Du, und nur du allein, bist für deine Gedanken, Gefühle und Handlungen verantwortlich. Du kannst nicht die äußeren Reize beeinflussen, aber sehr wohl, wie du darauf reagierst.
Ein Reiz, zwei Reaktionen
Ich möchte das mit einem weiteren Beispiel veranschaulichen. Stell dir folgendes Szenario vor: In einer Besprechung sitzen drei Kollegen. Einer ist das redefreudige Alphatierchen und fällt den beiden anderen Gesprächsteilnehmern wiederholt ins Wort. Person 1 zuckt daraufhin nur genervt mit der Augenbraue, fühlt sich angespornt und ergreift selbst wieder das Wort. Person 2 hingegen fühlt sich übergangen, ohnmächtig und schweigt für den Rest der Besprechung.
Das Ereignis ist das gleiche: Beide wurden unterbrochen. Aber auf der Gedanken- und Gefühlsebene reagieren die Personen sehr unterschiedlich: Gleichgültigkeit vs. Wut und Eigenverantwortung vs. Ohnmacht. Das Alphatierchen ist für sein Verhalten verantwortlich, nicht mehr und nicht weniger. Wie Person 1 und 2 darauf reagieren, liegt hingegen ganz bei ihnen.
Formuliere deinen Wunsch
Im nächsten Schritt ist es sinnvoll dem Gegenüber einen konkreten Wunsch mitzugeben. Person 2 fühlt sich in unserem Beispiel übergangen. Wie könnte ein Wunsch von ihr lauten? „Ich würde gern meinen Gedanken zu Ende bringen“, wäre eine naheliegende Möglichkeit. Und selbst das unhöfliche Alphatierchen würde wohl kaum diesen Wunsch ablehnen und sagen „Nö, das darfst du nicht.“
Wichtig ist allerdings auch hier, dass du deinen Wunsch in der Ich-Botschaft formulierst. Wählst du hingegen eine Du-Botschaft wird aus dem Wunsch schnell eine vorwurfsvolle Forderung im Stil von „Jetzt lass (DU) mich doch endlich mal zu Wort kommen.“ Denke immer daran: Es geht um den Perspektivwechsel und bei der Ich-Botschaft richtest du den Fokus nicht auf den anderen, sondern auf dich.
Fazit: Das sind die 4 Vorteile von Ich-Botschaften
- Perspektivwechsel: Du sagst, wie es dir in einer bestimmten Situation geht. Im Idealfall kombinierst du das Ereignis und deine Gefühlsreaktion, also z. B. „Es macht mich ganz nervös, wenn die Küche so unaufgeräumt und dreckig ist.“
- Interpretationsfreiheit: Dadurch, dass du bei dir bleibst, maßt du dir nicht an, die Motive und Gefühle des anderen zu kennen. Denn mit jedem Vorwurf schwingt mit, dass du den anderen irgendwie durchschaut hast. „Du bist rücksichtslos, weil du die Küche nicht aufräumst. Wie bei Muttern übernimmt das jemand anderes für dich.“ Und wer lässt sich schon gern von anderen in so eine Schublade quetschen – erst recht, wenn die noch nicht mal passt? Das provoziert nur einen bösen Konter und damit sind wir bei Punkt 3.
- Spielraum: Dein Gegenüber wird nicht sofort in eine Schuld-Ecke gedrängt. Dadurch hat er mehr Spielraum in Bezug auf seine Reaktion. Anders ist das bei einem direkten Vorwurf: Da gelangen wir schnell in den Autopiloten. Bestenfalls verteidigen wir uns nur, schlimmstenfalls kontern wir mit einem saftigen Gegenvorwurf. Das verursacht schnell eine vertrackte Patt-Situation.
- Bereitschaft: Ein wertfrei formulierter Wunsch erzeugt eher die Bereitschaft, diesem auch nachzukommen. Es ist leichter aufeinander zuzugehen und auf Augenhöhe des Konflikt zu lösen.
Übrigens: Man- und Wir-Botschaften sind nicht besser als Du-Botschaften und du solltest sie nur sehr sparsam nutzen. Anders als Ich-Botschaften (klare Gefühlsäußerung) und Du-Botschaften (klarer Vorwurf) sind sie irgendein Wischiwaschi in der Mitte. Sie wirken unsicher, sind unkonkret und du ziehst dich damit als Sender komplett aus der Verantwortung. Sei also deinem Gegenüber so fair und benenne das Kind beim Namen – idealerweise in der Ich-Form.
Theorie ist das eine, Praxis das andere. Gern unterstütze ich dich dabei, konstruktiv zu kritisieren und dabei ganz bei deinen Wahrnehmungen, Gefühlen und Bedürfnissen zu bleiben. Vereinbare jetzt einen Coaching-Termin mit mir unter coaching@achtsam-engagiert.de. Wenn du mehr über mein Coaching-Angebot erfahren möchtest, schau gern auf meiner Coaching-Site vorbei.