Mindset und Selbstvertrauen

Umgang mit Selbstkritik: Wie du deinen inneren Kritiker zähmst

Selbstkritik ist gemein: Der innere Kritiker kann uns mit negativen Glaubenssätzen ganz schön übel ins Gericht nehmen, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Erfahre im Artikel, wie du konstruktiv mit Selbstkritik umgehen und daraus lernen kannst. Bild visualisiert von www.achtam-engagiert.de.

Selbstkritik muss per se nichts Schlechtes sein. Sie kann uns wertvolle Einsichten bieten. Wenn aber der innere Kritiker die Kontrolle übernimmt, wird aus konstruktiver Selbstreflexion schnell destruktives Denken. In diesem Artikel teile ich eine persönliche Erfahrung mit dir und gebe dir praktische Tipps, wie du deinen inneren Kritiker zähmen und besser mit Selbstkritik umgehen kannst.

Ein Betrugsfall, der meinen inneren Kritiker laut werden ließ

Vor kurzem bin ich auf einen Betrugsanruf hereingefallen. Ein vermeinter Microsoft-Mitarbeiter hatte mich überzeugt, ihm Remote-Zugriff auf mein Notebook zu gewähren. Zum Glück habe ich per Videotelefonie einen befreundeten ITler hinzugezogent. Er hat mir gesagt, ich solle sofort das Telefonat und die Internet-Verbindung beenden. Ich hatte Glück: Denn es ist nichts passiert außer einem großen Schrecken und ein noch größerer Zweifel an meinem Geisteszustand. Wieso habe ich mich überhaupt darauf eingelassen? Habe ich es nicht allein durch etliche Datenschutzschulungen in meinem Unternehmen besser gelernt? Mein innerer Kritiker lief auf Hochtouren und schmiss mit Selbstkritik um sich, wie Rapper mit 100 Dollarscheinen im Club.

Wenn der innere Kritiker anfängt zu wettern, kann Rammstein einpacken

Im Nachgang hat mir der Freund einen Artikel der Verbraucherzentrale geschickt, der genau die Masche beschreibt, auf die ich hereingefallen bin. Ziel der Betrüger ist, am Ende eine überteuerte Security Software zu verkaufen und/oder durch den Remote-Zugriff die Kontodaten auszulesen. Soweit habe ich es zum Glück gar nicht erst kommen lassen.

Und dennoch: Ich habe Betrügern Zugriff auf etwas für mich sehr Privates gewährt: Mein Notebook mit zahlreichen Fotos, Daten und Blog-Artikeln. Es war für mich wenig tröstlich, dass es tausende andere gab, die in meinen Augen genauso dumm waren wie ich. Ich habe wie von der Verbraucherzentrale empfohlen Anzeige erstattet und wurde wenige Tage später von einer freundlichen Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes angerufen. Auch sie hat mir versichert, dass diese Masche ausgesprochen gut ist, weil sie mit Werten und Ängsten von Menschen spielt.

Aber auch das hat meinen zeternden inneren Kritiker nicht beschwichtigt. Er war fuchsteufelswild. Zwei Nächte in Folge hat er mich durch sein lautes Gezeter vom Schlaf abgehalten und mich in Endlosschleife daran erinnert wie dumm und naiv ich doch bin. Rammstein auf voller Lautstärke in Dauerschleife wäre angenehmer gewesen.

Umgang mit Selbstkritik: Den inneren Kritiker und falsche Glaubenssätze entlarven

Auch ein paar Tage später habe ich mich noch richtig schlecht gefühlt. Dann traf mich bei einem Spaziergang der sprichwörtliche Blitz: Ich bin auf eine weitere Betrugsmasche reingefallen und in dem Fall ist mein innerer Kritiker der Bösewicht. Er hat mir in Dauerschleife eingeredet, dass ich dumm und naiv bin. Das ist natürlich unkonstruktiver Quatsch. Ich habe etwas Dummes und Naives gemacht, aber ich als Person bin nicht dumm und naiv. Das ist ein riesengroßer Unterschied, den der innere Kritiker in seinem Hang zur Verallgemeinerung gern vergisst.

Warum Selbstkritik oft destruktiv ist

Wie ich schon eingangs schrieb: Selbstkritik ist nicht per se schlecht. Sie hilft uns, aus Fehlern zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Aber wenn sie überhandnimmt oder generalisiert, wird sie destruktiv. Mein innerer Kritiker hat mich nicht nur an meinen Fehler erinnert, sondern meinen Wert grundsätzlich in Frage gestellt und dadurch mein Selbstwertgefühl massiv angegriffen.

  • Du bist dumm und naiv.“
  • „Was denken wohl andere über dich?“
  • „Wie kannst so etwas nur passieren lassen? Du solltest es doch besser wissen.“

Klingt das vertraut? Diese Verallgemeinerungen sind typische Mechanismen des inneren Kritikers – und sie sind selten hilfreich.

Oberste Direktive: Du hast zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen gehandelt

Wenn ich auf der Arbeit eine Retrospektive durchführe, starte ich immer zuerst mit der Obersten Direktive. Sie lautet:

„Wir gehen davon aus, dass alle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen, Gewissen und Kenntnisstand gehandelt haben.“

oberste direktive

Was ich meinen Kolleginnen und Kollegen zu Gute halte, könnte ich doch auch mal auf mich selbst beziehen, oder? Ich habe mir also vor Augen geführt, dass ich es zu dem Zeitpunkt schlichtweg nicht besser wusste und für einen kurzen Moment wirklich davon überzeugt war, dass mit meinem Notebook etwas im Argen ist und wir, der werte Herr Betrüger und ich, jetzt tätig werden müssen.

Die Wurzel der Selbstkritik erkennen

Wenn wir also davon ausgehen, dass ich nach bestem Wissen, Gewissen und Kenntnisstand gehandelt habe, kann ich einige Rückschlüsse über meine Bedürfnisse und Werte ziehen, die mich in dieser Situation geleitet haben. Rückblickend wurde mir klar: Meine übertriebene Selbstkritik hatte wenig mit dem eigentlichen Vorfall zu tun. Stattdessen spiegelte sie meine verletzten Bedürfnisse und Werte wider. Der Betrug griff direkt meine Bedürfnisse nach Sicherheit, Vertrauen und Besonnenheit an. Indem ich mir das bewusst gemacht habe, konnte ich die Kritik besser einordnen.

Umgang mit Selbstkritik: 3 Schritte, um deinen inneren Kritiker zu zähmen

1. Reflektiere deine Handlung ohne Urteil

Führe dir vor Augen, dass du in der Situation nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hast. Meinw ichtigster Gedanken dabei ist: „Ich wusste es in dem Moment einfach nicht besser.“

Frage dich: Was war mein Kenntniszustand zu diesem Zeitpunkt?

Nicht umsonst gibt es die Redewendung „Im Nachhinein ist man immer schlauer“. Führen wir uns das vor Augen, fällt es uns leichter, Verständnis für uns selbst zu schaffen und aus vergangenen Fehlern zu lernen. Zudem nimmt diese Reflexion der generalisierten Kritik oft schon den Wind aus den Segeln.

2. Lerne aus der Situation

Frage dich nun in einem zweiten Schritt, was du aus der Situation für die Zukunft gelernt hast und was du anders machen würdest.

Statt dich also zu verurteilen, frage dich: „Was kann ich das nächste Mal anders machen?

In meinem Fall habe ich gelernt:

  • Microsoft wird mich niemals direkt anrufen.
  • Ich lasse mich nicht zu überstürzten Entscheidungen drängen.
  • Eine zweite Meinung einzuholen ist immer eine gute Idee.

3. Finde deine verletzten Werte

Negative Gefühle und Selbstkritik entstehen oft, weil ein Wert verletzt wurde. Wenn wir genau hinschauen, können wir aus diesem schlechten Gefühl ganz viel über uns und unsere Werte lernen. In meinem Fall waren es:

  • Sicherheit: Mein Sicherheitsbedürfnis wurde durch den Betrug verletzt.
  • Besonnenheit: Ich möchte kluge und besonnene Entscheidungen treffen in meinem Leben. Dies ist mir in dem Moment nicht beziehungsweise zu spät gelungen.
  • Vertrauen: Ich möchte meinen Mitmenschen nicht mit Misstrauen, sondern mit Vertrauen begegnen. An diesem Punkt wurde mein Vertrauen allerdings missbraucht und ich hadere damit.
  • Ansehen: Ich fand es schlimm vor Freunden und Familie eingestehen zu müssen, dass ich darauf reingefallen bin und dass nicht alle Reaktionen so nett und verständnisvoll waren wie die der Landeskriminalbeamtin.
  • Selbstwert: Was ich als „Ansehen“ für meine Außenwirkung beschreibe, gilt für mich mit „Selbstwert“ für meine Innenwirkung. Ich habe mich selbst ordentlich heruntergemacht und damit mein Bedürfnis nach Selbstwertschätzung verletzt.

Indem ich diese Werte erkannt habe, konnte ich mich wieder auf das besinnen, was mir wichtig ist.

Egal, wie diese Liste für dich und deine ganz persönliche Situation aussieht: Sie ist meistens ein bunter Blumenstrauß an Werten und Bedürfnissen, der dich zu deinen Handlungen motiviert hat und Gefühle in dir ausgelöst hat. Dieser Blumenstrauß zeigt dir, was dir im Leben wichtig ist.

Wenn du mehr über die Werte herausfinden willst, die dir im Leben wichtig sind, schau mal in diesen „Werte-Online-Test„.

Fazit zum Umgang mit Selbstkritik: Du bist nicht falsch, weil du etwas Falsches gemacht hast

Selbstkritik kann uns wichtige Impulse geben, wenn wir sie konstruktiv umsetzen. Hast du etwas falsch gemacht, dasgt das nur etwas über dein Verhalten in dieser Situation aus und nicht grundsätzlich etwas über dich als Person. Bleib mitfühlend und lösungsorientiert und richte deinen Fokus darauf, aus der Situation zu lernen.

Du hast in dem Moment nach bestem Wissen, Gewissen und Kenntnisstand gehandelt. Erforsche deine Motivation hinter deiner Handlung, um deinen Werten und Bedürfnissen auf die Spur zu kommen und dadurch Verständnis für dich zu schaffen.

Wenn dir dieser Artikel gefallen hast, teile ihn gerne oder hinterlasse ein Like bei Instagram.
Und denk immer dran: Dein innerer Kritiker hat weniger Macht, wenn du ihm mit Verständnis und guten Argumenten begegnest.

Lass deinen inneren Kritiker leiser werden – gemeinsam schaffen wir das!

Möchtest du lernen, wie du deinen inneren Kritiker zähmen und Selbstzweifel konstruktiv nutzen kannst?
Im Rahmen meines Coachings unterstütze ich dich dabei, einen mitfühlenden Umgang mit dir selbst zu entwickeln und nachhaltig gestärkt durchs Leben zu gehen. Melde dich gern unverbindlich bei mir über

coaching@achtsam-engagiert.de

Mehr über mein Coaching-Angebot online und in Hamburg findest hier:
Zum achtsam engagiert Coaching.

Zitate zum Thema innerer Kritiker / Selbstkritik

Wer kann aber auf sein vergangenes Leben zurückblicken, ohne gewissermaßen irre zu werden, da er meistens finden wird, daß sein Wollen richtig, sein Tun falsch, sein Begehren tadelhaft und sein Erlangen dennoch erwünscht gewesen?
Johann Wolfgang von Goethe

„Die Fehler eines Menschen sind seine Entdeckungsportale“
James Joyce