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SCARF-Modell: Die 5 Schlüssel zum Erfolg in Change-Prozessen

Stell dir vor, in deinem Team wird eine umfangreiche Veränderung eingeführt – zum Beispiel ein neues Aufgabengebiet oder ein neues Tool – und alle ziehen dafür an einem Strang und dieser Change gelingt völlig reibungslos. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht, aber mit dem SCARF-Modell aus dem Neuroleadership wird es zumindest wahrscheinlicher. In diesem Blog-Artikel erfährst du, wie du das SCARF-Modell für dich und dein Team nutzen kannst, um bestmöglich mit Veränderungen umzugehen.

5 Grundbedürfnisse stecken im Akronym „SCARF“

Das SCARF-Modell wurde entwickelt vom Unternehmensberater David Rock. SCARF ist ein Akronym und setzt sich aus folgenden Begriffen zusammen:

🌿Status
🌿Certainty (Sicherheit)
🌿Autonomy (Autonomie)
🌿Relatedness (Zugehörigkeit, Verbundenheit)
🌿Fairness

Diese 5 Begriffe, aus denen sich das SCARF-Modell zusammensetzt, beschreiben 5 elementare Grundbedürfnisse von Menschen, die tief in unserem Gehirn verankert sind. Sie spielen somit auch eine maßgebliche Rolle dabei, wie Menschen auf Veränderungen reagieren. Dies können sich Führungskräfte und Change-Begleiter zunutze machen. Ebenso kann jeder einzelne das SCARF-Modell nutzen, um die eigenen Widerständen und Bedürfnissen in Veränderungssituationen besser zu verstehen.

Fight, Flight, Freeze: Wenn Veränderungen Stress auslösen

Hinter dem SCARF-Modell steht die Annahme, dass wir alle danach streben, Unlust und Gefahren zu vermeiden. Erleben wir eine Situation als zu bedrohlich, wechselt unser Gehirn auf Notfallmechanismen wie „fight, flight, freeze“ – übersetzt also Kampf, Flucht oder salopp gesagt Totstellen.

Übertrage dieses Muster mal auf die Arbeit: Natürlich lässt hoffentlich keiner die Fäuste schwingen, wenn der Chef verkündet, dass ein neues Aufgabengebiet hinzukommt. Ebenso wenig wird jemand fluchtartig vom Bürostuhl aufspringen und schneller als Usain Bolt rennend das Büro verlassen. Und ich habe auch noch nie von jemanden gehört, der sich wie ein totes Opossum nach einer unliebsamen Verkündung auf den Boden liegt und so tut, als würde es ihn nicht mehr geben. Wir haben aber womöglich schonmal erlebt, dass wir selbst oder ein Kollege verbal um sich geschlagen hat, wir uns in Diskussionen komplett zurückgezogen haben oder vor neuen Herausforderungen kapituliert haben. All dies können Beispiele dafür sein, dass unser Gehirn eine Bedrohungssituation identifiziert hat und wir gerade nicht anders damit umzugehen wissen.

SCARF-Modell von David Rock

Genau hier setzt das SCARF-Modell an. David Rock hat Interviews mit renommierten Neurowissenschaftlern geführt und dabei folgende Quintessenz gezogen: Sind die 5 Dimensionen im SCARF-Modell erfüllt, sind wir performanter, ausgeglichener, kooperativer und lernbereiter. Wir fühlen uns wertgeschätzt und können besser mit einem Veränderungsprozess umgehen. Werden diese 5 Dimensionen allerdings abgewertet, reagieren wir mit dem oben beschriebenen Stressmuster. Lass uns einmal genauer darauf schauen:

Status

Eine Veränderung kann zu einem Gefühl von Statusverlust führen. Dabei ist der Status stets relativ zu anderen Personen und durchaus subjektiv. Es geht also nicht nur um die formale Position einer Person, sondern auch darum, wie ihre Leistungen gewürdigt werden. Jede Frau, die schonmal „Mansplaining“ erlebt hat, weiß genau, was gemeint ist. Wenn ein Mann und eine Frau dieselbe Position im Unternehmen haben und der Mann der Frau etwas erklärt, was ihr völlig klar ist, würdigt er damit ihren Status ab.

Es ist völlig normal, dass wir uns bei einer Veränderung fragen, was dies für unseren Status bedeutet. Umso wichtiger ist, dass Führungskräfte und Change-Begleiter klar kommunizieren, welche Erwartungen sie an ihre Mitarbeitenden haben, welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt und welche Bedeutung die Mitarbeitenden haben. Es mag selbstverständlich klingen und geht im Change doch oft unter: Erkenne stets die bisher geleistete Arbeit und die vorhandenen Stärken und Kompetenzen an – egal ob es um einen ganz persönlichen Change in deinem Leben geht oder du als Führungskraft dein Team durch einen Change begleitest.

Hilfreiche Reflektionsfragen zum Grundbedürfnis „Status“:

🌿Wie kannst du deinen Mitarbeitenden Klarheit über ihre Rolle während des Veränderungsprozesses geben?
🌿Wie kannst du die geleistete Arbeit sowie die Stärken und Kompetenzen anerkennen und würdigen und wann hast du es zuletzt getan?
🌿Welche Möglichkeiten gibt es, um deinen Mitarbeitenden Entwicklungsperspektiven zu bieten und ihren Status zu würdigen?

Certainty (Sicherheit)

Jede Veränderung bedeutet Unsicherheit, denn wir lösen uns vom Altbekannten und das kann sich für manche sehr bedrohlich anfühlen. Diese Unsicherheit kannst du am besten durch klare, transparente Kommunikation begegnen. Ein Mehr an Informationen löst bei den meisten ein Mehr an gefühlter Sicherheit aus. Gib deinen Mitarbeitenden Raum für Fragen und Diskussionen, damit jeder seine Fragen, Ängste und Unsicherheiten adressieren kann. Erläutere ihnen, warum es die Veränderung gibt und was der gewünschte Zielzustand ist. Wenn du das SCARF-Modell zur Selbstreflektion nutzt, erkenne, wo du noch Unklarheiten hast und schau mal, ob du Wege findest, wie du diese beseitigen kannst.

Hilfreiche Reflektionsfragen zum Grundbedürfnis „Certainty“ (Sicherheit):

🌿Hast du ausreichend klar und verständlich kommuniziert, warum es die Veränderung gibt, was die nächsten Schritte sind, was das für die Mitarbeitenden bedeutet und wie der gewünschte Zielzustand aussieht?
🌿Gibt es möglicherweise widersprüchliche oder unvollständige Informationen, die du auflösen kannst? Entspricht das Verhalten der am Change-Beteiligten dem, was gesagt wird oder gibt es einen Widerspruch aus „Das Eine sagen und das Andere machen“?
🌿Wie kannst du während des Change-Prozesses für einen transparenten und steten Kommunikationsfluss sorgen?
🌿Welche Rituale kannst du schaffen, die während des Change-Prozesses ein Gefühl von Konstanz und Sicherheit vermitteln (z. B. regelmäßige Termine)?

Autonomie

Wir Menschen sind autonome Wesen. Es gibt im privaten wie auch im Berufsleben viele Veränderungen, die wir nicht selbst initiiert haben. Damit einhergehen kann ein starkes Gefühl von Kontrollverlust. Umso wichtiger ist es, in Veränderungen das Gefühl von Autonomie und Selbstbestimmtheit zu stärken, z. B. in dem du deinen Mitarbeitenden die Möglichkeit gibst, den Veränderungsprozess mitzugestalten oder sie an Entscheidungen beteiligst. Verteile Aufgaben, die wirklich selbstständig erfüllt werden können, ohne dass du dich bei der Art der Lösung einmischst.

Hilfreiche Reflektionsfragen zum Grundbedürfnis „Autonomie“:

🌿Was bedeutet die Veränderung für die wahrgenommene Autonomie deiner Mitarbeitenden? Inwiefern verändert sich der subjektiv empfundene Einflussbereich?
🌿Wie kannst du deinen Mitarbeitenden ermöglichen, sich aktiv bei der Veränderung einzubringen? Inwiefern können sie mitgestalten und entscheiden?
🌿Welche Entscheidungen können deine Mitarbeitenden selbst treffen, um ein Gefühl der Kontrolle zu behalten?

Relatedness (Zugehörigkeit / Verbundenheit)

Wir Menschen sind soziale Wesen. Die Beziehung zu anderen ist somit logischerweise eines der elementaren Grundbedürfnisse. Ist diese Beziehung – das „Wir-Gefühl“ – bedroht, aktiviert das in unserem Gehirn dieselben Areale, die bei Schmerz aktiviert werden. Eine Veränderung kann unsere gewohnte soziale Struktur stören, z. B. indem neue Mitarbeitende hinzukommen, geschätzte Mitarbeitende gehen oder die Art des Miteinanders verändert wird. Genau hier lässt sich ansetzen: Schaffe Möglichkeiten für Austausch und Zusammenarbeit. Fördere den Aufbau von Beziehungen und Teamwork, indem du regelmäßige Meetings, außerfachliche Austauschrunden oder Mentoring-Programme schaffst. Je besser es dir gelingt, im Team ein Gefühl von „Wir sind eine Gemeinschaft und unterstützen uns gegenseitig“ zu schaffen, desto besser werdet ihr gemeinsam durch den Change kommen.

Hilfreiche Reflektionsfragen zum Grundbedürfnis „Relatedness“ (Zugehörigkeit / Verbundenheit):

🌿Wie kannst du den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden fördern?
🌿Welche Maßnahmen könnt ihr ergreifen, um euer Gemeinschaftsgefühl zu stärken?
🌿Wie kannst du Teamwork und Networking während der Veränderungszeit unterstützen?
🌿Kannst du Mentoren- / Coaching- / Lerngruppen initiieren?

Fairness

Das letzte Grundbedürfnis im SCARF-Modell ist Fairness. Veränderungen können sich oft unfair, ungerecht oder einseitig anfühlen. Deshalb ist es für jede Führungskraft oder für jede:n Change-Begleiter:in wichtig, sicherzustellen, dass der Veränderungsprozess transparent und fair abläuft. Hier ist wie beim Grundbedürfnis Sicherheit Kommunikation das A und O. Formuliere eindeutig und transparent, was die Veränderung für deine Mitarbeitenden bedeutet, wie sich das auswirkt und welche Erwartungen du an deine Mitarbeitenden hast. Gebe auch hier deinen Mitarbeitenden den Raum ihre Fragen, Unsicherheiten und Zweifel zu äußern. Sorge dafür, dass Entscheidungen nachvollziehbar sind und behandle alle Mitarbeitenden gleich.

Hilfreiche Reflektionsfragen zum Grundbedürfnis „Fairness“:

🌿Gibt es Mitarbeitende, die stärker als andere von der Veränderung profitieren oder benachteiligt sind? Warum ist das so?
🌿Wie kannst du sicherstellen, dass getroffene Entscheidungen nachvollziehbar und fair sind? Gibt es klare „Spielregeln“?
🌿Welche Möglichkeiten haben deine Mitarbeitenden, ihre Fragen, Sorgen und Zweifel zu äußern? Wie reagierst du darauf?
🌿 Würdigst du die Leistung deiner Mitarbeitenden gleichermaßen? Oder schenkst du manchen mehr Anerkennung als anderen?
🌿 Hast du an alle deine Mitarbeitenden die gleichen Erwartungen? Sind deine Erwartungen grundsätzlich fair oder verlangst du womöglich einen Einsatz, der für manche kaum zu bewältigen ist, wie z. B. unbezahlte Überstunden?

SCARF-Modell als Reflektionstool – kein „one size fits all“-Ansatz

Wie alle Modelle ist das SCARF-Modell eine Vereinfachung. Nicht alle Grundbedürfnisse gelten für alle Personen gleich stark. Jeder Typ ist anders und manche Grundbedürfnisse können sich je nach Ausprägung sogar widersprechen: So will einer womöglich ganz besonders stark „an die Hand genommen“ werden, weil ihm das Sicherheit vermittelt, ein anderer kann sich dadurch nur noch mehr in seinem Autonomiebedürfnis verletzt fühlen. Das SCARF-Modell sollte somit nicht als ein „one size fits all“-Ansatz betrachtet werden, sondern dazu einladen, sich selbst oder seine Mitarbeitenden im Change-Prozess zu reflektieren. Es hilft dabei, fremde oder eigene Gefühle einzuordnen und es seigt, wo Bedürfnisse verletzt sein können und wie man diese in der Phase der Veränderung stärken kann.

SCARF-Modell als Tool für Team-Workshops oder Retrospektiven

Du kannst das SCARF-Modell auch als Tool für einen Team-Workshop bzw. eine Team-Retrospektive nutzen. Schreibe dafür auf ein Whiteboard oder eine Metaplanwand die 5 Grundbedürfnisse Status, Sicherheit, Autonomie, Zugehörigkeit / Verbundenheit und Fairness in 5 Spalten auf. Lasse nun die Mitarbeitenden in einem freien Brainstorming sammeln, welche Gedanken sie zu den jeweiligen Dimensionen haben und wo ein Bedürfnis derzeit nicht ausreichend erfüllt ist (IST-Aufnahme). In einer zweiten Runde sammelt ihr Lösungsideen, um die Bedürfnisse noch besser zu bedienen (Soll-Aufnahme).

Wenn du mehr über das SCARF-Modell erfahren und ein kostenloses PDF herunterladen möchtest, schau mal auf der Homepage https://digitaleneuordnung.de vorbei: Zum kostenlosen PDF.

Veränderungen sind ein Prozess, bei dem ich dich oder dein Team sehr gern unterstütze. Als zertifzierte Coachin für systemisches Coaching und Changemangement bin ich deine ideale Ansprechpartnerin für sämtliche Herausforderungen im Zuge von Veränderungsprozessen. Egal, was gerade deine Herausforderung ist, gern können wir z. B. mithilfe des SCARF-Modells schauen, welche Grundbedürfnisse noch besser bedient werden können, um optimal durch den Change zu kommen. Wenn das interessant klingt, dann schreib mir über: coaching@achtsam-engagiert.de

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